Leben und Tod

Ein Raum. Es ist still. Die Wände sind grau lackiert. Sie glänzen. Keine Fuge und kein Fehler. Sie sind glatt. In der Mitte der Decke hängt eine Leuchte, wie eine Liane im Dschungel. Wie ein totes Geschöpf blitzt sie auf und im nächsten Moment entfleucht ihr sogleich das Leben wieder und hinterlässt das Zimmer im Dunkeln. In der Mitte ist ein Tisch. Kalt und aus Metall steht er dort mit einer Platte so leblos, dass der Schädel, welcher grinsend auf ihr ruht, geradezu lebendig wirkt. Davor sitzt ein Mann auf einem Stuhl aus reinstem Stahl, welcher sich eisig und empfindungslos an seinen Leib presst.
Er sieht müde aus. Dunkle Ränder unter seinen Augen zeugen von Rastlosigkeit. Der Bart, welcher geeignet wäre, um ein Streichholz zu entzünden, umrahmt seine Augen neben den langen Haaren, welche ihm ins Gesicht hängen, wie nasse Handtücher, die man zum Trocknen aufgehängt hat. Nach vorne übergebeugt. Die Arme auf den Oberschenkeln ruhend blickt er mit seinen eisblauen Augen in die dunklen Höhlen des Schädels.
Er blickt ihn an, als würde er seinen Worten lauschen, als würde dieser Schädel Geschichten seines einstigend Lebens erzählen, doch ledig dieses Grienen ist zu erblicken. Förmlich grotesk mutet dieses Bild an.
Der Caput, so weiß und edel wie Marmor, ist lädiert. Wie von einer Granate rausgesprengt, wirkt das Loch in der Schädeldecke. Was ist hier geschehen? Hat dies zum Tod geführt? Oder hat er dies erlebt und überlebt? Was war die Todesursache?
Sein strohblondes Haar bildet einen Vorhang durch den er schaut. Gefesselt blickt er geradeaus. Auch wenn seine Pupillen sich nicht rühren, so kann man doch erahnen, dass er nach Antworten sucht. Antworten den Tod betreffend.
Es regt sich in ihm die Frage, wie er später von dieser Sphäre gehen wird. Wird es schnell gehen oder qualvoll geschehen? Werden seine Hinterbliebenen trauern oder wird es ihnen ohne ihn gut gehen?
Stunden vergehen und die Gedanken kreisen, wie ein Falke über seiner Beute. Immer wieder wird ein Angriff unternommen, um den Tod zu verstehen. Um zu verstehen, wieso, weshalb und warum?
Er blinzelt. Betrachtet das tote Objekt, welches einst ein Subjekt war. Ekel regt sich in seinem Gesicht. Er springt auf und schreckt einen Schritt zurück. Der Metallstuhl fällt klirrend zu Boden. In dem Schädel hallt es nach. Mit einer fegenden Bewegung der Hand rauscht der Schädel der makellosen Wand entgegen und ehe sich die Splitter über den Boden ergießen, hat er das Zimmer verlassen.
Zurück bleibt, ein umgefallener Stuhl, ein leerer Tisch und an der Ostwand liegt in Bruchstücken… der Tod?

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7 Antworten zu Leben und Tod

  1. Kiira schreibt:

    Monsieur Winterschein,
    Du schreibst sehr bildlich, das gefällt mir sehr gut, weil ich mir die Situation sehr gut vorstellen konnte.

    Gruß, Kiira

    • Mr. Winterschein schreibt:

      Salut,
      danke. Ich habe mir vorgenommen etwas bildlicher zu schreiben für dieses Jahr, damit ich es mir selber auch besser vorstellen kann und somit noch teifer in die Szenerie einsteigen kann.
      LIebe Grüße.
      M. Winterschein

  2. SirGrinsekatze schreibt:

    Kann mich Kiira anschließen, aber was ist der Anlass fuer diesen Post? Was verleitet dich dazu?

    • Mr. Winterschein schreibt:

      Moin SirGrinsekatze,
      danke, danke. Also es gibt nicht wirklich einen Anlass. Es war vielmehr eine Textstelle aus dem Buch „Schiffbruch mit Tiger“, welches ich zur Zeit lese, welches mich darauf gebracht hat.
      Ich habe den Film geschaut und war sehr beeindruckt, darum woltle ich auf jeden Fall das Buch lesen.
      Liebe Grüße.
      M. Winterschein

      • Sherry schreibt:

        Den Film haben wir gestern im Kino geschaut. Wir waren auch ziemlich beeindruckt. Den Film habe ich noch nicht richtig verdaut. Genau wie du habe ich gedacht, vielleicht sollte ich das Buch lesen. Hast du den Film Cloud Atlas geschaut? Den empfehle ich dir auch wärmstens …

        Du schreibst sehr intensiv, das mag ich an deinem Stil besonders.

        • Mr. Winterschein schreibt:

          Moin Sherry,
          schön von dir zu hören. Ja, mir geht es genau wie du beschreibst. Ich habe den Film zusätzlich noch auf Englisch gesehen, wodurch ich sicherlich auch nicht alles erfassen konnte, weshalb mich das Buch noch mehr reizt. Cloud Atlas habe ich noch nicht geschaut, wollte ich aber noch machen.
          Und danke für das Kompliment^^.
          Liebe Grüße.

    • Mr. Winterschein schreibt:

      Moin SirGrinsekatze,
      danke, danke. Also es gibt nicht wirklich einen Anlass. Es war vielmehr eine Textstelle aus dem Buch „Schiffbruch mit Tiger“, welches ich zur Zeit lese, welches mich darauf gebracht hat.
      Ich habe den Film geschaut und war sehr beeindruckt, darum woltle ich auf jeden Fall das Buch lesen.
      Liebe Grüße.
      M. Winterschein

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