Kompetenzen

Kompetenzen, wer hat dieses Wort nicht schon mal gehört? In der Schule sollen die Kinder nun nach Kompetenzen unterrichtet werden, welche sie dann auch zeigen sollen. Da gibt es bereits die ersten Probleme. Woran sehe ich denn, dass die Jungen und Mädchen diese anwenden? Es ist eigentlich ganz leicht. Die Kompetenzen sind so beschrieben, dass man sie direkt beobachten kann. Ein kleines Beispiel gefällig?

Im Kerncurriculum (KC) für Informatik in der Sekundarstufe I (also den Vorgaben, was im Unterricht gemacht werden soll bzw. welche Kompetenzen erworben werden sollen) in Niedersachsen steht, dass die Schülerinnen und Schüler einen gegebenen Algorithmus interpretieren können sollen. Gut, das ist ja relativ einfach zu beobachten. Man gibt ihnen einen Algorithmus in einer Programmiersprache und sie sollen beschreiben, was dieser macht. Wenn sie das können, dann haben sie diese Kompetenz erworben. So einfach kann es sein. Es ist zu sagen, dass nicht alle Komeptenzen so eindeutig formuliert sind und man manchmal schon ziemlich rumraten muss, was die Verfasser wohl gemeint haben könnten. In bester Hoffnung unterrichtet man dann nach seinen Überlegungen.

Die Umstellung von G9 auf G8 hat diese Umstellung auf die Kompetenzen mit sich gebracht. Ich hatte an der Uni das Vergnügen, dass ich Erstsemestertutorien geben durfte und das auch noch zu einer Zeit, als es diese Kompetenzen nicht gab. Ich habe also miterlebt und gesehen, welche Auswirkungen eine solche Umstellung haben kann.

Bei meinen Studis konnte ich sehen, dass ihre Leistungen abnahmen, je länger sie diesen Kompetenzbeschreibungen ausgesetzt waren. Der Schluss, dass es nun an dem Kompetenzerwerb liegt, ist nicht im Ansatz zulässig. Aber der letzte Jahrgang, den ich unterrichtet hatte, war leider der schlechteste. Die Bereitschaft selber etwas zu tun und sich selbst Wissen anzueignen, war so gering, wie ich es noch nie beobachtet hatte. Grundlegenden Kompetenzen, wie das Anwenden von einfachen Grundrechenregeln, war schon bei einigen eine große Hürde und das nach 12 Jahren Schule? Irgendetwas scheint da nicht zu passen.

Ich glaube nicht, dass es an den Kompetenzen liegt. Denn diese haben weitere Diemension in den Unterricht gebracht. Früher war Unterricht die reine Wissensvermittlung. Methoden waren Mittel zum Zweck und wurden nicht als Teil des Faches verstanden, was meiner Meinung nach ein fataler Fehler ist. So zum Beispiel wird im KC für den Politik-Wirtschaftsunterricht zwischen Sach-, Methoden- und Urteilskompetenz unterschieden. Es könnte nun angeführt werden, dass dies zu viel ist, aber im wesentlich ist es nicht mehr, sondern nun klarer getrennt und es wird als Teil des Faches verstanden. Denn bestimmte Fächer haben bestimmte Methoden, die in ihnen verwendet werden und nicht allgemeingültig sind. Daher passiert hier eine gute Ausdifferenzierung.

Also was ist das mögliche Problem, welches diese mangelnde Bereitschaft zu Eigenleistung mit sich bringt? Ist das System Schule vielleicht Schuld, dass der Spaß am Lernen abtrainiert wird? Ich denke, dass dies ein ganz großer Faktor ist, wenn man lediglich auf die nächste Prüfung hin arbeitet, ohne seinen eigenen Neigungen nachzugehen. Zum Glück wird nun wieder auf G9 umgestellt und wir Lehrkräfte bekommen wieder mehr Zeit, um auch links und rechts vom Tellerrand runterzuschauen und auch mal den fragen der Schülerinnen und Schülern nachzugehen, denn dies bereitet auch einer Lehrkraft Freude etwas Neues auszuprobieren  – außer man gehört zu den unsicheren Lehrkräften.

Oder ist auch der Wandel der Welt „Schuld“ daran. Dass den Schülerinnen und Schülern durch den großen Nummern der Welt vorgelebt wird, dass man mit allem irgendwie durchkommt und so auch mit dem Studium. Das neue Motto lautet also: „Irgendwie wird das schon.“ Irgendwie schaffe ich die Schule, irgendwie werde ich schon zugelassen zu einem Studium, irgendwie schaffe ich die Prüfung schon etc. Und dann sind sie erschrocken, wenn ich ihnen mitteilen, dass sie mit der aktuellen Leistung die Klausur nicht bestehen werden. Sie stammeln rum, dass die Klausur zu schwierig war. Dass die Aufgaben unmöglich waren und dass solche Sachen vorher nicht geübt wurden. Und wenn ich ihnen dann zeige, dass die Inhalte identisch zu den Übungen waren, dann geben die den Tutoren die Schuld, dass sie einem dies nicht sagten. Ich bin enttäuscht von Studierenden, die nicht einsehen, dass sie nicht geübt haben. Die nicht sehen, dass sie kein Wissen über die Inhalte erlangt haben, welche abgefragt wurden und dann auch noch ihre Seele damit erleichtern wollen, indem sie durch Schuldzuweisungen ihr mangelndes Verhalten zu kaschieren. Traurig finde ich dies. Und dann sind erneut überrascht, wenn sie in der Nachklausur erneut nicht bestehen.

Besteht also möglicherweise eine Trennung zwischen der Selbstwahrnehmung der Realität? Wie könnte man also diesen jungen Leuten helfen, dass die Selbstwahrnehmung der Realität angenähert wird? Rückmeldungen in Form von wöchentlichen Übungszetteln wären eine Möglichkeit, aber dann sind wir irgendwie wieder sehr in der Schule. Allerdings geht es ohne Übung nicht. Das Gelernte muss angewendet werden. Oder besteht einfach eine große Diskrepanz zwischen der Kompetenzorientierung in der Schule und dem wissenschaftlichen Lernen in der Universität? Ist die Lücke zu groß und bedarf einer Neuausrichtung seitens der Uni? Oder ist es nötig, dass die Studis diese Lücke selbst überwinden, damit sie daran wachsen? Oder ist dies alles einfach nur ihrer Jugend geschuldet? Fragen über Fragen, die es sicherlich irgendwie zu klären gilt.

 

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